Neuartikulationen ritueller Praktiken und Patrimonialisierung
Zusammenfassung
Seit zwei Jahren begleiten wir eine kleine Gruppe junger Männer aus autochthonen Familien, die ursprünglich traditionelle Rituale praktizierten, deren Familienältesten diese jedoch unter dem Druck eines muslimischen Umfelds und des gesellschaftlichen Wandels weitgehend aufgegeben haben. Trotz der Vorbehalte der Älteren mobilisieren sich diese jungen Menschen, um die von der Tradition geforderten Rituale zu organisieren oder neue zu erfinden, mit dem Ziel, “nicht zu vergessen, woher man kommt, und den Kindern eine Vorstellung davon zu geben, wohin man geht”. Wir können hier individuelle, bislang nicht institutionalisierte Versuche beobachten, Traditionen an die zeitgenössische Gesellschaft und die aktuellen Konflikte anzupassen. Weit davon entfernt, statisch zu sein, wird Tradition für diese Akteure zu einem Medium der Pluralität und des Zusammenlebens. Dieser Forschungsschwerpunkt wirft auch die Frage nach der Patrimonialisierung immateriellen Kulturerbes auf, indem er den Prozess der Neuartikulation von Ritualen beobachtet. Die Konsequenzen und Herausforderungen dieses laufenden Prozesses werden mit allen Beteiligten diskutiert: mit Experten für Kulturerbe, der lokalen Bevölkerung, Forschern und Betroffenen. Die Forschung wird von regelmäßigen kreativen Restitutionen, wie z.B. Ausstellungen und Diskussionsrunden begleitet, um die Vermittlung zwischen den verschiedenen Interessengruppen zu erleichtern.